Daily Business

Mittwoch, 01.11.2017

Null-Fehler-Praxis? Vergiss es!

Durch einen konstruktiven Umgang mit Fehlern können sich Arzt­praxis und Mit­arbeitende weiter entwickeln. Die Basis für einen guten Umgang mit Fehlern liegt in einer bewussten Fehler­kultur.

fehlermanagement

«Aus Fehlern lernt man!» Das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Unternehmen. Durch einen konstruktiven Umgang mit Fehlern können sich Arztpraxis und Mitarbeitende weiter entwickeln. Die Basis für einen guten Umgang mit Fehlern liegt in einer bewussten Fehlerkultur. Kann jede Person in unserer Praxis über eigene Fehler sprechen, ohne dass sie dafür verurteilt wird? Wird das eigene Tun reflektiert? Darf jeder jedem ein Feedback geben?

In anderen Sprachen wird einem manchmal die unterschiedliche Bedeutung der Bezeichnung «Fehler» bewusst. So wird «Fehler» im Englischen als «mistake», «error», «slip» oder «fault» übersetzt. Im Deutschen verwenden wir das Wort «Fehler» im Sinn von Irrtum, Abweichungen, Ausrutscher, oder Defekt. Hier ein paar Beispiele unterschiedlicher Fehlerwahrnehmungen:

Ist etwas falsch, weil das Resultat vom vorgegebenen Ziel oder von Vorgaben abweicht?

  • Die Verbandschublade ist falsch eingeräumt. Nicht alle vorgeschriebenen Materialien sind vorhanden.
  • Bei der Bestellung von Labormaterial wurden zu wenige Teststreifen bestellt.
  • Das Röntgenbild zeigt die Schulter von vorne statt von links.

Ist es ein Fehler, wenn eine Beurteilung von Einflussfaktoren und Entwicklungen nicht richtig war?

  • Die Patientin hätte für die Blutentnahme gelegt werden sollen, dann wäre sie nicht umgekippt.

Ist es ein Fehler, wenn ein technisches Gerät nicht richtig funktioniert?

  • Der Etiketten-Drucker funktioniert nicht. Habe ich eine Fehlermeldung nicht beachtet?

Charaktereigenschaften können sich unbewusst als Fehlerquelle auswirken.

  • Ich falle meinem Gegenüber zu schnell ins Wort und höre zu wenig gut zu.
  • Bei der Notfalldienst-Verteilung schaue ich immer zuerst, dass die Dienste für mich passen.

Eine positive Fehlerkultur bedingt Gesprächsbereitschaft

Fehler ist also nicht gleich Fehler. Fehler können nämlich auch deshalb passieren, weil eine Vorgabe nicht aktualisiert wurde, weil vorhandenes Wissen nicht genügt oder weil jemand unter Stress stand. Ist uns in der Praxis bewusst, dass wir uns durch die offene Diskussion von aufgetretenen Fehlern verbessern können? Alle lernen, wenn jemand über einen eigenen Fehler spricht. Nicht bei allen Fehlern fällt dies gleich leicht.

Critical Incident Reporting System (CIRS)

Dieses Instrument dient zur anonymen Meldung von kritischen Ereignissen und Beinahe-Schäden. Festgestellte Fehler werden bei diesem Verfahren strukturiert festgehalten. Dabei geht es nicht nur darum, dass der Fehler notiert wird, sondern auch um die Reflexion zum Fehler. Das Fehlermanagement beschreibt gezielt, wie mit Fehlern umgegangen wird.

Ganz wichtig ist dabei, dass man sich gegenseitig bei der Fehlerbehebung hilft. Das fördert das Vertrauen ins Team. Fehlermeldungen, ob anonym oder persönlich geschildert, benötigen einen Rahmen, in welchem sie besprochen werden können, zum Beispiel in Teamsitzungen oder MPA-QZ (Qualitätszirkel). Diese Besprechungen erweitern das Wissen jedes Teammitgliedes. Es kann zu Qualitäts-Verbesserungen genutzt werden, und es können Chancen für Neuentwicklungen erkannt werden.

Konkret heisst das: Eine Checkliste wird verbessert oder aktualisiert (zum Beispiel durch eine Ergänzung mit der Mindestanzahl im Lager und/oder der Dauer der Lieferung), eine Dokumentation wird ergänzt (zum Beispiel mit einen Eintrag beim Patienten: bei der Blutentnahme hinlegen), ein Prozess wird neu gestaltet (zum Beispiel geben wir Histologien dem Kurier mit, statt sie mit der Post zu schicken, das ist günstiger und einfacher).

Um einen Fehler zu analysieren, helfen folgende Fragen:

  • Wo ist der Fehler genau aufgetreten?
  • Wie sieht der Fehler genau aus? Beschreiben Sie den Fehler.
  • Wann ist der Fehler aufgetreten?
  • Wer hat den Fehler entdeckt?
  • Welche Ursachen können Sie sich vorstellen?
  • Welche Massnahmen haben Sie vorgenommen, um den Fehler zu beheben?

Mit jedem verbesserten Fehler entwickelt sich nicht nur die Praxis, sondern das Team und jedes Teammitglied kann Fehler besser nutzen und Veränderungen proaktiv angehen. Auch das ist Qualitätsmanagement. Besprechen Sie daher, wie das weitere Vorgehen nun aussieht und wer dafür verantwortlich ist.

Denken Sie daran: Wer nichts tut, macht auch Fehler.

Zur Verfasserin: Seit mehr als 10 Jahren für die Organisation und Entwicklung der Gruppen­praxis Küblis mitverantwortlich. Team­­prozesse und was die Menschen im Team brauchen, damit sie gut zusammen­­arbeiten, interessieren sie seit ihrem Studium der Arbeits- und Organisations­­psychologie besonders.