Praxis-Organisation

Mittwoch, 18.07.2018

Lean Management: Verschwendungs­faktoren in der Arzt­praxis

Zugegeben: Manchmal ist es die eigene Laune, die uns einen Streich spielt; aber oft liegen die Gründe in der Organisation oder der technischen Aus­rüstung der Praxis.

Lean Management: Verschwendungs­faktoren in der Arztpraxis

Sie nehmen es als Stress wahr: Scheinbare Kleinigkeiten, die Ihnen während der täglichen Arbeit in der Arztpraxis immer wieder in die Quere kommen, Ihren Schwung bremsen, Ihre gute Laune strapazieren. Zum Stress wird dies auch deshalb, weil der Störfaktor immer wieder auftritt. Zugegeben: Manchmal ist es die eigene Laune, die uns einen Streich spielt; aber oft liegen die Gründe in der Organisation oder der technischen Ausrüstung der Praxis.

Verschwendung – ein Begriff aus dem Lean Management

Die angestrebte Organisation hat mittels einem «schlanken Management» zum Ziel, das Denken und Handeln in der Unternehmung – und auch in der Arztpraxis – so zu beeinflussen, dass auf Unnötiges verzichtet wird. Doppelspurigkeiten sollen vermieden werden: Diese führen zu einer Verschwendung von Arbeitszeit. Ursprünglich stammt diese Management-Philosophie aus Industrie und Handel. Lesen Sie hier über einige Verschwendungen, wie sie auch in einer Arztpraxis auftreten könnten.

Die Überbearbeitung

Darunter verstehen wir Tätigkeiten, die unnötig kompliziert und umständlich durchführt werden.

Beispiel 1

Patienten werden wegen einer Frage zu einer Arztrechnung an drei verschiedene Personen weitergeleitet. Jede Person hört sich das Problem an und sucht Informationen dazu in der Krankengeschichte.

Beispiel 2

Laborwerte werden zuerst am Laborgerät ausgedruckt, dann ins Laborjournal eingetragen und anschliessend in die elektronische Krankengeschichte von Hand eingefüllt.

Lösung

Wie kann der Prozess schlank gehalten werden? Arbeiten Sie mit veralteter IT?

Mängel und Ausschuss

Solche Fehlleistungen entstehen in der Arztpraxis, wenn angefangene Tätigkeiten nicht auf Anhieb vollständig erledigt werden. Verursacher können Störungen, Defekte oder mangelnde Informationen sein. Der zusätzliche Aufwand, um eine angefangene Tätigkeit zu beenden oder zu korrigieren, kann zu Qualitätsverlust führen.

Beispiel 1

Der Telefonanruf eines Patienten unterbricht die MPA beim Ablegen eines Spitalberichtes in die eKG. Die MPA wechselt dazu von einem Patienten in der eKG zum nächsten. Und schon ist es passiert: der Bericht wird im Anschluss an das Telefongespräch beim falschen Patienten abgelegt.

Beispiel 2

Ungenügend instruierte Devices können dazu führen, dass verschriebene Medikamente nicht wirken.

Lösung

Standardisierung der Kernprozesse in Ihrer Arztpraxis als Gegenmassnahme.

Bestände und Vorräte

Sind Bestände zweckmässig dimensioniert und übersichtlich gelagert? Angefangene Arbeiten (z.B. nicht beantwortete Krankenkassenberichte) rechnen wir hier auch zu den Beständen. Grosse Lagerbestände (etwa bei Medikamenten, Verbrauchsmaterial, Formularen, Druckerpatronen) sind gebundenes Kapital. Grosse Bestände werden unübersichtlich und sind aufwändiger zum Bewirtschaften. Sinnvolle Zwischenlager müssen klein und übersichtlich gehalten werden.

Beispiel 1

Umfangreiche Lager z.B. an Salben oder Impfungen in den Sprechzimmern führen zu langen Kontrollzeiten beim Auffüllen.

Beispiel 2

Falls die Kontrolle der Bestände selten stattfindet, erhöht sich der Ausschuss infolge von abgelaufenem Material.

Lösung

Bestände knapp und übersichtlich halten.

Unnötige Bewegungen

Unter Bewegung verstehen wir hier das ständige Wechseln von einer Tätigkeit zur anderen. Je höher der Arbeitsdruck, umso grösser ist dann das Risiko, dass Aufgaben zwar angefangen, aber nicht abgeschlossen werden. Dies zieht erneute Kontrollen und Nachfragen nach sich.

Beispiel 1

Ein Telefonanruf unterbricht die Medikamentenabgabe. Sind nun alle Medikamente für diesen Patienten gerüstet?

Beispiel 2

Sie sollen einem Arzt unverzüglich einen Bericht mailen. Sie sind jedoch unsicher, ob das wirklich der richtige Bericht ist. Gleichzeitig soll für einen anderen Patienten ein Termin für ein 24-Stunden-EKG geplant werden. In einer solchen Situation steigt die Fehlerquelle.

Lösung

Praxis-Organisation so optimieren, dass Aufgaben systematisch erledigt werden können.

Wartezeiten

Wenn Wartezeiten auftreten, dann ist dies für alle Beteiligten unproduktive Zeit. Aus kommerzieller Sicht ist das Warten des Arztes oder der Ärztin besonders kostspielig und kontraproduktiv. Aus Sicht der MPA ist die Situation unbefriedigend, weil sie nicht zügig weiterarbeiten kann oder weil sie registriert, dass Patienten wegen der Wartezeit ungehalten werden.

Beispiel 1

Der Arzt muss auf die Bestimmung eines Laborwertes warten, weil die MPA bereits mit einer Blutentnahme an einem anderen Patienten beschäftigt ist.

Beispiel 2

Die Assistentin kann einen dringenden Telefonanruf nicht tätigen, weil die Telefonlinien durch andere Mitarbeitende bereits besetzt sind.

Lösung

Digitale Terminplanung, ausreichende Personalbesetzung, Ausbau der Technik.

Überproduktion

Als Überproduktion verstehen wir hier unnötig durchgeführte Routinetätigkeiten.

Beispiel 1

Blutentnahmen bei Patienten, obwohl die Blutwerte keine Bedeutung für diese Behandlung haben.

Beispiel 2

Automatischer, überflüssiger Ausdruck von Fax-Nachrichten.

Lösung

Kritische Hinterfragung von routinemässigen Prozessen in der Praxis.

Aufruf zum Mitmachen

Mich interessiert, welche Arten von «Verschwendung» Sie in Ihrer Praxis festgestellt haben und vor allem, mit welchen Massnahmen Sie diese vermeiden könnten. Schreiben Sie mir eine Mail. Gerne sammle ich Ihre Beispiele und Lösungen. In einem der nächsten Blogs werde ich Ihre Beiträge anonymisiert veröffentlichen. Und damit wünsche ich Ihnen einen stressfreien, erfolgreichen und fehlerfreien Tag.

Zur Verfasserin: Seit mehr als 10 Jahren für die Organisation und Entwicklung der Gruppen­praxis Küblis mitverantwortlich. Team­­prozesse und was die Menschen im Team brauchen, damit sie gut zusammen­­arbeiten, interessieren sie seit ihrem Studium der Arbeits- und Organisations­­psychologie besonders.