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Donnerstag, 24.05.2018

Der Mann im Frauen­beruf: die männliche MPA trifft man nur selten

Sie sind in unserer Berufs­welt nur selten anzu­treffen, die männlichen MPA. Sarah Rüegsegger hat den Berufs­kollegen F.M. getroffen und ihn zu seinem beruflichen Werde­gang befragt.

Der Mann im Frauenberuf: die männliche MPA trifft man nur selten

Sie sind in unserer Berufswelt nur selten anzutreffen, die männlichen MPA. Sarah Rüegsegger hat den Berufskollegen F.M. getroffen und ihn zu seinem beruflichen Werdegang befragt.

Wie bist du zu dieser Berufswahl gekommen?

Nun, eigentlich lernte ich Logistiker EFZ und schloss anschliessend noch eine einjährige Handelsschule ab. Aufgrund meiner gehemmten Körpergrösse (1.38) waren in meiner Berufswahl Pflegeberufe nicht gerade an erster Stelle. Ich leistete relativ früh Feuerwehrdienst und bin so in Berührung mit dem Rettungs- und Gesundheitswesen gekommen. Nach einer gewissen Zeit entschied ich mich, dass ich doch in diese Branche einsteigen möchte. MPA ist einer der wenigen Berufe im Gesundheitswesen, in denen die Körpergrösse keine Rolle spielt. Anders als bei klassischen Pflegefachpersonen entfallen hier Arbeiten, die Körpereinsatz erfordern (Grundpflege, Mobilisation und Lagerung). Priorität hatte für mich, eine anerkannte Grundausbildung mit Abschluss im Gesundheitswesen zu absolvieren.

Hat es Überwindung gekostet, dich für einen «Frauenberuf» zu bewerben?

Ich würde lügen, wenn ich nein sage. Die grundsätzliche Überwindung, nochmals von ganz vorne anzufangen, war sicher eine Hürde.

Was hat dir am meisten Mühe bereitet oder bereitet dir noch immer Mühe?

MPA werden in Wissen und Fähigkeiten oft total unterschätzt. Zudem stehen sie vielfach im Schatten der Mediziner.

Warum entscheiden sich so wenige Männer für diesen Beruf?

Die Tatsache, dass der Beruf früher und auch manchmal heute noch mit «Arzthelferin» gleichgesetzt wird, macht die Funktion nicht wirklich attraktiv. Dazu kommt, dass im Vergleich zu den «Fachangestellten Gesundheit» die Karriereplanung ziemlich eingeschränkt ist. Ein Mann, der später eine Familie ernähren will, kommt als MPA finanziell nicht weit. Zudem ist die aktuelle Berufsbezeichnung mit der Zusatzbezeichnung «Assistent/In» nicht gerade attraktiv und müsste ersetzt werden. Die schulische Anforderung einer angehenden MPA ist fast mit der eines Kanti-Schülers identisch. Wenn man aber schlussendlich «nur» als Hilfsperson angesehen wird, schmälert dies Attraktivität und Ausstrahlung. Aufwand und Ertrag der Ausbildung zum/zur MPA stehen meiner Erachtens in einem völligen Missverhältnis.

War es schwierig, eine Lehrstelle oder einen Arbeitsplatz zu finden?

Ich stellte gewisse Ansprüche an meinen Ausbildungsplatz, da ich gerne unter Leuten bin. Eine Einzelpraxis kam für mich deshalb nicht in Frage. Ich suchte darum ausschliesslich nach grossen Gruppenpraxen oder Spitälern. So bewarb ich mich in der gesamten Deutschschweiz und fand schliesslich im Mittelland eine Gruppenpraxis für Kinder und Jugendliche, welche in einem Spital eingemietet ist und mir die Möglichkeit gab, Fuss zu fassen.

Ist es für einen Mann schwierig, in dieser Berufsgattung eine Stelle zu finden?

Es gab einige Absagen, in denen ich deutlich spürte, dass die Arbeitgeber mich als Mann in einer Zweitausbildung nicht vorstellen konnten. Dafür fielen meine Bewerbungen im Stapel dutzender Damen sicher besonders auf.

Wie war/ist die Ausbildung mit so vielen jungen Frauen?

Im ersten Ausbildungsjahr war es schwierig, vor allem unter dem Aspekt, dass wir an bis zu drei Wochentagen in der Berufsschule sassen und nur an zwei Tagen Praxiserfahrung sammeln konnten. Die meisten meiner Mitschülerinnen befanden sich in der Erstausbildung und mussten zuerst auch mal an Reife zulegen. Das brauchte sicherlich etwas Geduld und Verständnis meinerseits, wie auch der Lehrpersonen.

Was sind die positiven Rückmeldungen der Patientinnen und Patienten?

Viele Eltern meiner Patienten begrüssten die angetroffene «Abwechslung». Wir können so den Kindern und Jugendlichen vermitteln, dass es keine reinen Frauen- oder Männerberufe mehr gibt. Meine Präsenz hat mit anderen Worten eine Art «aufklärenden Nebeneffekt».

Was sind die negativen Rückmeldungen der Patienten?

Gab und gibt es eigentlich nicht. Es gab vielleicht schon einzelne Situationen, in denen Patienten aus anderen Kulturkreisen sich nicht gerade eine männliche Person wünschten.

Was gefällt dir am besten am MPA-Beruf?

Ich mag die Abwechslung, aber vor allem die Arbeit mit und am Patienten. Gerade in meinem jetzigen Arbeitsumfeld motiviert mich der «Dienst am Nächsten».

Warum sollen sich mehr junge Männer für diesen Beruf entscheiden?

Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Wenn erreicht werden soll, dass der Beruf sein «Fräulein-Touch» verliert, muss seitens der Ärzteschaft und von den Berufsverbände etwas unternommen werden. Ich kann es keinem 16-Jährigen verübeln, wenn er sich wegen der genannten Gründe gegen eine solche Ausbildung entscheidet. Gerade mein Alter hat mir persönlich eine gewisse Distanz und einen gewissen Schutz gegeben.

Wie alt bist du und arbeitest du noch in diesem Beruf?

Ich war 21 Jahre alt, als ich die Ausbildung startete. Heute bin ich 27 und arbeite in einem Zentrumsspital im Bereich der ambulanten Notfälle bzw. Notfallpraxis. Ich arbeite in der Funktion als MPA, führe aber nicht mehr so viele klassische MPA-Tätigkeiten aus. Dazu gehörten noch gewisse Laborarbeiten, aber kein Röntgen mehr. Die administrativen Tätigkeiten beschränken sich hier auf ein Minimum. Dafür habe ich eine einjährige Weiterbildung für Notfallsituationen absolviert und so meine Kompetenz und Wirkungsschwerpunkte verlagert. Auch bin ich als Spitalmitarbeiter nicht mehr direkt der Ärzteschaft, sondern der Pflegedirektion unterstellt. Das gibt im Unterschied zur Arbeit in einer Praxis eine gewisse Entspannung im Verhältnis zwischen Arzt, MPA und Pflege.

Vielen Dank an F.M. für die ehrlichen und ausführlichen Antworten.

Zur Verfasserin: Eine leidenschaftliche MPA mit Management­ausbildung im NBW (Netzwerk für betriebs­wirtschaftliche Weiter­bildung), in erster Linie aber Mutter zweier Mädchen, die nebenbei den Online­shop yabee.ch (Best 4 Family) betreibt.